Lexikon

Dranginkontinenz

Eine Harninkontinenz ist für viele Betroffene ein direkter Einschnitt in der Lebensqualität. Eine der häufigsten Formen der Harninkontinenz ist die sogenannte Dranginkontinenz, bei der Betroffene einen vermehrten Harndrang verspüren und die Toilette aufsuchen müssen, obwohl die Blase noch nicht ausreichend gefüllt worden ist. Welche Ursachen liegen der Dranginkontinenz zugrunde und gibt es Möglichkeiten zur Therapie?

Definition der Dranginkontinenz

Die Dranginkontinenz ist eine Störung der Blasenspeicherung und somit eine Form der Inkontinenz. Dranginkontinenz wird auch Reizblase, überaktive Blase oder Urgeinkontinenz genannt und gehört laut der Deutschen Kontinenz Gesellschaft zu den häufigsten Formen der Harninkontinenz mit knapp 15 % Betroffenen.

Dabei tritt für die betroffenen Personen ein starker Harndrang auf, obwohl die Blase nicht nennenswert gefüllt ist. Auch zu einem unwillkürlichen Verlust von Urin vor dem Erreichen der Toilette kommt es unweigerlich bei einer Dranginkontinenz. Eine Hinauszögerung der Blasenentleerung ist für betroffene Personen oft nicht möglich.

Die Motorische Dranginkontinenz

Die motorische Dranginkontinenz zeichnet sich durch eine fehlende Hemmung von Nervenimpulsen aus, die für die Kommunikation zwischen Blasenmuskel und Gehirn verantwortlich sind. Sie steuern prinzipiell die nötige Entleerung der Blase. Aufgrund der fehlenden Hemmung zieht sich der Blasenmuskel sporadisch und krampfhaft zusammen. Dadurch gehen unkontrolliert und schlagartig minimale Mengen an Urin ab.

Oftmals sind Ursachen der motorischen Dranginkontinenz in neurologischen Grunderkrankungen zu finden, beispielsweise Parkinson, Multiple Sklerose und Demenz.

Die sensorische Dranginkontinenz

Die sensorischen Rezeptoren in der Blasenwand sind für eine korrekte Übermittlung von Füllständen der Blase an das Gehirn verantwortlich. Bei einer sensorischen Dranginkontinenz ist die korrekte Übermittlung gestört, was dazu führt, dass das Gehirn annimmt, die Blase sei bereits gefüllt, obwohl noch keine wirkliche Füllmenge vorliegt. Im Anschluss wird eine Blasenentleerung durch die Blasenmuskulatur veranlasst. Diese sensorische Überempfindlichkeit kann durch Entzündungen der Blase, Tumore, Blasensteine oder hormonelle Veränderungen ausgelöst werden.

Symptome einer Dranginkontinenz

Die Symptome einer Dranginkontinenz sind vielseitig und können auch kombiniert auftreten. Zu den wichtigsten Symptomen gehört das plötzliche Gefühl eines starken Harndrangs, das mit oder ohne krampfhafte Kontraktionen der Blase auftreten kann.

Weitere Symptome einer Dranginkontinenz

Weitere bekannte Symptome einer Dranginkontinenz sind:

Nykturie

Nykturie ist der medizinische Fachbegriff für nächtlichen Harndrang. Dabei muss der Nachtschlaf des betroffenen unterbrochen werden, um einen Toilettengang durchführen zu können.

Pollakisurie

Bei der Pollakisurie versteht man eine bestimmte Form von Miktionsbeschwerden. Die betroffene Person verspürt infolgedessen einen häufigen Harndrang und muss über den Tag verteilt häufig einen Toilettengang durchführen. Trotz einer deutlichen gesteigerten Anzahl von Entleerungen der Blase ist die Harnmenge, wie es bei der Polyurie der Fall ist, nicht erhöht.

Imperativer Harndrang

Bei einem imperativen Harndrang erscheint der betroffenen Person der verspürte Harndrang so stark und unbeherrschbar, dass eine Verzögerung des Toilettengangs unmöglich erscheint. Oftmals einhergehend mit schmerzhaften Kontraktionen durch eine Verkrampfung der Harnblasenmuskulatur.

Unruhezustände

Unruhezustände bei einer Dranginkontinenz sind die Folgen der Erkrankung für die betroffene Person. Aufgrund der Häufigkeit und Ungewissheit von plötzlich auftretendem, starkem Harndrang sind Unruhezustände, besonders in gesellschaftlicher Atmosphäre, oftmals ein Begleitsymptom der Dranginkontinenz.

Therapie und Behandlung

Die Therapie der Dranginkontinenz ist teilweise abhängig von deren vielfältigen Ursachen und somit breit gefächert.

Diagnostik und Ursachenforschung

Vor der eigentlichen Therapie einer Erkrankung oder eines Begleitsymptoms steht die Diagnostik der Dranginkontinenz und damit einhergehend auch die Ursachenforschung. Dabei können Mediziner auf ein breites Spektrum von diagnostischen Methoden zurückgreifen.

Urologie

In der Urologie können zur Diagnostik und Ursachenforschung verschiedene Methoden zur Messung und Visualisierung der Harnblase genutzt werden. Mit Ultraschalluntersuchungen und einer Harnblasendruckmessung können erste Anzeichen für eine Dranginkontinenz gesichert oder ausgeschlossen werden. Eventuell werden weitere Tests durchgeführt, darunter Urin- und Blutuntersuchungen.

Neurologie

Auch neurologische Erkrankungen können die Dranginkontinenz als Begleiterkrankung auslösen. Demenz und Multiple Sklerose gelten dabei als komplexe neurologische Ursachen für das Auslösen einer Dranginkontinenz mit ihren Begleiterscheinungen.

Psychiatrie

Auch psychiatrische Grunderkrankungen und Stress können eine Dranginkontinenz zeitweise oder dauerhaft als Folgeerscheinung mit sich führen. Können körperliche Ursachen ausgeschlossen werden, kann eine psychologische oder psychiatrische Abklärung in Erwägung gezogen werden.

Therapeutische Möglichkeiten der Dranginkontinenz

Therapeutische Möglichkeiten der Dranginkontinenz orientieren sich an den Ursachen oder den Grunderkrankungen, die eine Dranginkontinenz als Folgeerscheinung mit sich bringen. Sind komplexe neurologische Erkrankungen die Hauptursache für eine Dranginkontinenz, besteht die hauptsächliche Therapie in der Behandlung der neurologischen Grunderkrankung und therapeutischen Maßnahmen, die eine Erleichterung für die betroffene Person darstellen.

Medikamentöse Therapie durch Anticholinergika

Anticholinergika werden eingesetzt, um die Wirkung des Botenstoffes Acetylcholin im parasympathischen Nervensystem zu unterdrücken. Das geschieht, indem eine kompetitive Hemmung am Muscarin-Rezeptor durchgeführt wird. Als Folge werden Nervenreize blockiert, die zu einer Kontraktion von glatten Muskelstrukturen und zur Steigerung der Sekretproduktion von Drüsen führen. Am häufigsten eingesetzt werden Anticholinergika bei Asthma bronchiale oder Harninkontinenz. Nebenwirkungen können eine Erhöhung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und Augeninnendrucks sein.

Medikamentöse Therapie durch pflanzliche Heilmittel

Pflanzliche Heilmittel können bei betroffenen Personen als medikamentöse Therapie oder unterstützende medikamentöse Therapie eingesetzt werden. Besonders bewährt bei Dranginkontinenz haben sich Kürbis-Samen, Goldrute, Brennnessel, Heublumen, Preiselbeeren und Cranberrys.

Achtung: Der eigenständige Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln in einer laufenden Therapie und Behandlung muss immer mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden, um Wechsel- und Nebenwirkungen zu vermeiden.

Psychotherapie

Bei psychiatrischen Grunderkrankungen und einer Dranginkontinenz infolge von stressbedingten Zuständen, kann eine Psychotherapie Linderung und eine Besserung für die betroffenen Personen mit sich bringen.

Therapieunterstützende Maßnahmen

Therapieunterstützende Maßnahmen verbessern die Situation der betroffenen Person, können im Alltag unterstützend verwendet werden und verbessern oftmals das allgemeine Befinden.
Therapieunterstützenden Maßnahmen sind:
  • Physiotherapie
  • Kontinenz- und Toilettentraining
  • Verhaltenstherapie
  • Nervenstimulation
  • Versorgung mit Inkontinenzmaterial

Versorgung mit Inkontinenzartikel

Bei einer bereits ausgeprägten Dranginkontinenz können Inkontinenzartikel der betroffenen Person einen großen Teil der Lebensqualität wieder zurückgeben. Inkontinenzprodukte vermitteln Sicherheit und ein Gefühl der Ruhe, da bei einem Missgeschick nur das Inkontinenzmaterial gewechselt werden muss.

Operative Eingriffe

Ursachen einer Dranginkontinenz

Ursachen, die zu einer einschränkenden Dranginkontinenz führen, sind vielfältig. Oft finden sich Ursachen der Dranginkontinenz direkt am Ort, also der Blase, dem Harnableitungssystem oder im zentralen Nervensystem bei der Impulsweitergabe.

In der Harnblase selbst kann es im Urothel, der inneren Schleimhautauskleidung, zu Funktionsstörungen kommen. Auch die Harnblasenwandmuskulatur kann in der Funktion beeinträchtigt sein und so eine Überaktivität auslösen. Wenn es zu einer Funktionsstörung kommt, können Nervenimpulse der Blase vermehrt über den Weg des Rückenmarks das Gehirn erreichen und so einen vermehrten Harndrang auslösen. Auch bakterielle Blasenentzündungen sind dafür verantwortlich, eine vorübergehende Funktionsstörung auszulösen.

Wenn die Ursache neurologisch bedingt ist, können Verletzungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems dafür verantwortlich sein, eine Dranginkontinenz auszulösen. Beispiele sind hier Schlaganfälle, Unfälle, demenzielle Erkrankungen und neurologische Grunderkrankungen wie Multiple Sklerose und Parkinson. Dabei wird die Impulshemmung der Blasenanregung geschwächt und es tritt eine Dranginkontinenz auf.

Bleiben neurologische Beschwerden oder das zentrale Nervensystem betreffende Erkrankungen unbehandelt, können Blase und Nieren dauerhaft geschädigt werden.

Einer Dranginkontinenz gezielt vorbeugen

Es gibt viele Grunderkrankungen und Faktoren, die sich negativ auf die Entwicklung einer Dranginkontinenz auswirken. Doch, wie kann man einer Dranginkontinenz gezielt vorbeugen?

Wissenschaftliche Therapien zur Vorbeugung einer Dranginkontinenz

Wissenschaftliche Studien und Therapien zur gezielten Vorbeugung einer Dranginkontinenz sind nicht veröffentlicht. Jedoch können einzelne, eine Dranginkontinenz fördernde Faktoren gezielt eingesetzt und trainiert werden, um das Risiko einer Dranginkontinenz erfolgreich zu reduzieren.

Maßnahmen zur Vorbeugung einer Dranginkontinenz

Auch wenn wissenschaftliche Studien fehlen, so zeigt die Erfahrung im medizinischen und pflegerischen Bereich, dass einer Dranginkontinenz bereits in jüngeren Jahren gezielt vorgebeugt werden kann, beispielsweise durch Training der Beckenbodenmuskulatur und einer gesunden Lebensweise.

Training der Beckenbodenmuskulatur

Nicht nur in der Schwangerschaft hilft das gezielte Training der Beckenbodenmuskulatur Frauen zur Vermeidung von Spätfolgen wie Blasenschwäche nach der Schwangerschaft. Das Training kann auch gezielt zur Vermeidung einer späteren Inkontinenz oder Dranginkontinenz effektiv eingesetzt und sogar unsichtbar in den Alltag integriert werden. Bereits zu lange Sitzen und Bewegungsmangel schwächen die Beckenbodenmuskulatur deutlich.

Für eine korrekte Durchführung der Trainingseinheiten sollten Physiotherapeuten oder Hebammen aufgesucht werden. Diese Berufsgruppen sind mit dem Training vertraut. Das Training kann auch ärztlich verordnet werden.

Vermeidung zu starker körperlicher Belastung

Zu starke körperliche Belastung übt zusätzlichen Druck auf Unterleib und Bauchraum aus. Die Vermeidung zu starker körperlicher Belastung wirkt positiv auf eine eventuell später entstehende Inkontinenz aus.

Reduktion von Übergewicht und gesunde Lebensweise

Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen sind klassische Faktoren, die viele Grunderkrankungen negativ beeinflussen. Dies geschieht auch beim Thema Inkontinenz und Dranginkontinenz. Eine gesunde Lebensweise hilft dabei, gezielt einer Dranginkontinenz vorbeugen zu können.

Richtiges Toilettentraining und regelmäßiger Stuhlgang

Zu starkes Pressen während des Toilettenganges wirkt sich negativ auf Beckenbodenmuskulatur aus. Das gilt auch beim Stuhlgang. Sorgen Sie für regelmäßigen und nicht zu festen Stuhlgang. Toilettengänge sollten so trainiert werden, dass eine Füllung der Blase ermöglicht wird, ohne eine schlagartige Entleerung zu verursachen.

Reduktion harntreibender Getränke

Koffein- und kohlensäurehaltige Getränke wirken sich negativ auf die Entwicklung einer Inkontinenz aus und verstärken den Harndrang. Reduzieren Sie diese Getränke auf ein minimales Niveau.

Fazit

Die Dranginkontinenz ist für die betroffene Person stark einschneidend in der Lebensqualität und besitzt viele mögliche Ursachen. Trotz ausgeprägter diagnostischer Maßnahmen kann eine Ursache nicht immer eindeutig gefunden werden, da auch psychiatrische Ursachen für eine Dranginkontinenz infrage kommen können. Wichtig sind eine gesunde Lebensweise, die richtige Auswahl von Getränken und ein korrektes Toilettentraining, um einer möglichen Drang- und Harninkontinenz vorbeugen zu können.

Betroffene können medikamentöse Therapien, Sportangebote zu ausreichender Bewegung, psychiatrische Therapieangebote oder Hilfsmittel zur Linderung in Anspruch nehmen. Durch den Einsatz von Inkontinenzartikeln können betroffene Personen einen großen Teil der Lebensqualität wieder zurückerlangen.
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